Schokoriegel und Glückskekse sind um einen Zettel drapiert. „Willkommen zurück“ steht darauf. Für Julia Blasch ist heute eine Art Premiere: Die 41-Jährige hält ihre erste Vorlesung nach der Elternzeit. In ihrem Büro im ersten Stock des Modulbaus gönnt sie sich vorher einen Schluck Tee. Die Nacht mit ihrer kleinen Tochter war anstrengend. Trotzdem freut sich die Professorin für Umwelt- und Nachhaltigkeitsökonomik darauf, wieder mit ihren Studierenden zu arbeiten. In Neuburg ist Blasch fast von Anfang an dabei; sie ist für die Stelle aus Amsterdam gekommen. Manchmal beschwere sich ihr spanischer Lebensgefährte über das Wetter, ansonsten seien sie zufrieden. Für Blasch gehört es dazu, Nachhaltigkeit und Ökonomie zusammenzudenken und diesen Zusammenhang mit ihren Studierenden zu diskutieren.
Nachhaltigkeit ist auch das Thema, das Hassan Mahadhy nach Neuburg geführt hat. Der 28-Jährige stammt aus der Millionenmetropole Daressalam in Tansania und hatte sein Studium im südafrikanischen Pretoria begonnen. Weil er sich dort nicht sicher fühlte, schaute er sich im vergangenen Sommer nach einem neuen Studienort um: in Kanada, Großbritannien und Deutschland. Dass seine Wahl schließlich auf das vergleichsweise kleine Neuburg fiel, hatte mit dem englischsprachigen Bachelor-Studiengang Sustainable Civil Engineering zu tun. „Ich fand es toll, dass ich hier auf Englisch studieren kann und dass man sich sofort um mich gekümmert hat, als ich per Mail angefragt habe“, meint Mahadhy. Er sitzt in der Cafeteria und wartet auf den Beginn seines Seminars. Seit Herbst ist er in der Renaissancestadt und hat hier schon einiges erlebt: zum ersten Mal Schnee gesehen, zum ersten Mal länger in Europa und zum ersten Mal an einem Fluss gewohnt. „Ich finde es hier sehr schön. Am ersten Tag stand ich an der Donau und habe stundenlang Fotos von der Umgebung gemacht“, erinnert sich Mahadhy. Seine Familie, mit der er täglich spricht, vermisst ihn zwar, hat ihn aber in seiner Entscheidung bestärkt. „Follow your dreams“, habe ihm sein Vater mit auf den Weg gegeben.
Auf den Weg aus dem Schwabenländle hat sich nach Stationen in Dresden, Würzburg und Aachen Jana Bochert gemacht: Die 45-jährige ist Gründungsdekanin der Fakultät Nachhaltige Infrastruktur. Wenn sie über ihr Fachgebiet spricht,
leuchten ihre Augen: „Das Analytische hat mich schon immer begeistert“, sagt sie. „Bauingenieurin ist der schönste Beruf der Welt – das möchte ich meinen Studierenden vermitteln.“ Sie selbst hat ihre Studienwahl nach einer Schnuppervorlesung an der Universität Stuttgart getroffen. „Da war Professor Jörg Schlaich, eine absolute Koryphäe im Brückenbau, und der hat so bodenständig und in breitem Schwäbisch erzählt, wie er mit seinem ‚VW-Bussle‘ nach Spanien auf Baustellen fährt, das hat mir gefallen.“ Spaß an der Sache, analytische Fähigkeiten und den Mut, Strukturen zu hinterfragen, das wünscht sich Jana Bochert von ihren Studierenden. „Wer nachhaltig bauen will, muss in den Unternehmen umdenken“, so Bochert. Sie selbst hat sich in Neuburg inzwischen gut eingelebt und Freunde gefunden. In ihrer Freizeit ist die resolute Blondine unter anderem auf dem Golfplatz anzutreffen: „Handicap 42 – gefühlt 0“.
Auch David Winkler ist sportlich aktiv. Der gebürtige Kölner studiert im dritten Semester Nachhaltigkeits- und Umweltmanagement und ist leidenschaftlicher Kickboxer im Gladiator Fightclub Neuburg. Nachhaltigkeit fasst er weiter: „Mir geht es nicht nur um die Umwelt, sondern auch um soziale Gerechtigkeit“, betont Winkler. Deshalb sieht er seine Zukunft weniger in der Investmentbranche als bei einer NGO. Hinausgehen, vor Ort Veränderungen anstoßen, das ist sein Ding. Das Studium in Neuburg bereitet ihn gut darauf vor, findet Winkler, und fühlt sich hier trotz mancher Mentalitätsunterschiede wohl. „Auf dem Campus kann jeder so sein, wie er will.“ Jetzt hat es David Winkler eilig, die Prüfungen stehen an, er geht in die neue Bibliothek, um zu lernen. Vor der Rettung der Welt kommt eben die Prüfungsphase.
THI Standort Neuburg im Internet
Text und Fotos: Simone Ketterle und THI