Sissy Schafferhans und Horst Winter
Weihnachten ist nahe und viele Kinder schreiben ihre Wünsche auf Zettelchen für das Christkind. Das sind meist ganz persönliche und konkrete Wünsche, die aus tiefstem Herzen kommen und auf Erfüllung am 24. Dezember warten. – Etwas anders war die Aktion am diesjährigen Weltkindertag nach einer Idee, die Horst Winter in die Tat umsetzte. In einem großen Schiff konnten Kinderwünsche auf kleinen Schiffchen gesammelt werden.
Ich habe mich sehr gefreut, dass mich Horst Winter zu diesem Fest eingeladen hat. Es war ein wundervolles Fest mit vielen Aktionen verschiedenster Institutionen und es war auch äußerst gut besucht. Kinder und auch Eltern hatten Spaß und in dem großen Wunschschiff fanden sich auch Wünsche, die Eltern für ihre Kinder aufgeschrieben hatten, weil die Kleinen noch nicht schreiben konnten.
Weltkindertag – und dann?
Das war die Frage, die Horst Winter als ehemaligen Stadtrat und aktuelles Mitglied des Seniorenbeirats und mich als Schulreferentin beschäftigten. Nach dem Einsammeln wurden die insgesamt 550 Wünsche (!) dieses Tages und nach dem Rücklauf aus drei Neuburger Grundschulen in einer Kiste dem Stadtrat übergeben. Und hier nahmen sich einige Mitglieder des Stadtrates ein Herz. Es wurde sortiert und überlegt, wie denn weiter verfahren werden soll. Vielleicht eine Ausstellung der Wünsche, vielleicht einige Anträge an die Stadt, denn da sind einige Wünsche dabei, die tatsächlich umgesetzt werden könnten?
Aber, und das ist auch sehr wichtig: es ist nicht alles möglich und nicht jeder Wunsch geht in Erfüllung. Das ist eine große Sache und ein wichtiger Teil der Erziehung, dass unsere Kinder auch lernen und ertragen, wenn etwas NICHT GEHT. Sie sehen alles anders als wir Erwachsenen, unkomplizierter und einfacher.
Wer mich kennt, der weiß, ich hatte mein Leben lang mit Kindern zu tun. Mein Beruf war meine Berufung. Und deshalb weiß ich auch: Alles braucht seine Zeit. Und besonders Kinder brauchen Zeit. Zeit für ihre Dinge. Und die sollten wir ihnen auch geben. Jedes Kind ist anders, ist besonders. Und genau dieses Besondere müssen wir schützen und fördern. Jedes Kind hat Talente, eine eigene Familie, einen eigenen Rhythmus. Und genau diese Dinge sind es, die das Kind befähigen und es liebenswert machen.
Ein immer wieder guter Rat: Wir müssen die Schwächen der Kinder schwächen und die Stärken stärken. Nur so gibt es gegenseitiges Vertrauen, gesunde Selbstwirksamkeit, ein positives Selbstwertgefühl und Verständnis. Auch, wenn etwas sich nicht so entwickelt, wie man es sich vorgestellt hat. Dabei sollten wir auch berücksichtigen: Gras wächst nicht schneller, wenn man daran zieht, ein altes afrikanisches Sprichwort. Plastischer kann man eine Tatsache nicht beschreiben, dass Kinder Zeit, Fürsorge und Liebe brauchen, wenn in ihnen nachhaltig Fähigkeiten heranreifen sollen.
Wir stärken Kinder, indem wir ihnen zuhören, geduldig und aufmerksam, ihnen etwas zutrauen und sie in ihren individuellen Fähigkeiten bestärken. Ideen von Kindern sind ein Bereich, dem Erwachsene sich oft verschließen mangels Zeit und Geduld.
Zeit, so scheint es, ist die neue Währung der Zukunft. Work Balance, Zeiterfassung, home office, alles hat seine Berechtigung, das sehe ich ein, aber wir sollten das Maß von allem nicht vergessen. Und vor allem nicht die Bedürfnisse, Ideen und Wünsche der Kinder. Dazu gehört selbstverständlich auch das Erlernen von Regeln, um in einer Gemeinschaft klarzukommen, ein wichtiges Instrument von Kinderschutz, denn ich kann nur Verständnis bekommen, wenn ich das auch aussende. Eine grundlegende und einfache Regel des menschlichen Zusammenlebens in einer Demokratie.
Wünsche von Herz zu Herz
Gerade in den Tagen vor Weihnachten rücken nun Wünsche unserer Kinder besonders in den Vordergrund, obwohl es ja eigentlich das Geburtstagsfest von Jesus ist, der da beschenkt werden sollte. Deshalb fanden wir besonders erfreulich, dass wir auch Wünsche von Kindern in dem großen Wunschschiff fanden, die nicht materieller Art waren:
Mein Papa soll wieder gesund werden
Ich wünsche mir, dass mein Bruder sprechen kann
Ich wünsche mir, dass niemand entführt wird
Ich wünsche mir, dass niemand verletzt wird
Ich wünsche mir, dass niemand krank wird
Dass die Kinder nicht streiten
Dass ich immer glücklich bin
Dass meine Familie gesund bleibt und lange leben soll
Mama soll Zeit für mich haben
Ich wünsche mir weniger Krieg
Dass es meinem Land wieder gut geht
Dass niemand auf der Welt stirbt
Dass mein Opa wieder lebt
Wie „schön“ Kinder denken können, wie klug und philosophisch. Das rührt Horst Winter und mich sehr. Aber wir sehen gleichzeitig, wie machtlos wir teilweise sind, um diese Wünsche zu erfüllen. Doch gerade diese Herzenswünsche sind es, die zu Herzen gehen und auf eine Zeit einstimmen, in der wir alle aufeinander zugehen und empathisch reagieren sollten. Deshalb ist es uns ein besonderes Anliegen, Ihnen diese Wünsche nicht vorzuenthalten. Wer mag, kann auf der „Neuburger Schlossweihnacht“ selbst einen Blick auf die Wunschschiffchen werfen.
Wir sollten Zeichen setzen und Zeugnis geben für Freiheit und Demokratie und Teilhabe. Das fängt nicht erst „später“ an, wenn man wahlberechtigt ist. Diese Werte definieren unser Menschsein – und sie gehören auch unseren Kindern. Diese müssen Mitsprache haben, ihre Gedanken mit einbringen können, Selbstwirksamkeit erfahren dürfen. Dazu gehört aber auch, gegenseitige Rücksichtnahme zu üben und zu leben.
Text: Annemarie Meilinger, Fotos: privat