Ein Meister seines Fachs

40 Jahre prägten Heinz und Marianne Bartoschek mit „Mode Exclusive“ das Stil­empfinden für elegante und sportive Damenmode in Neuburg – und darüber hinaus

Es gibt Geschäfte, die vergisst man nicht. Auch wenn sich das Straßenbild ändert, die Fassaden renoviert werden, auf die Schließung eines Ladenlokals eine Neueröffnung folgt: Manche Namen werden immer mit der Neuburger Wirtschaftsgeschichte verbunden bleiben. – „Ein Meister seines Fachs“ möchte in HALLO Neuburg an die Persönlichkeiten erinnern, die dazu beigetragen haben, die Region anzuziehen – oder, wie man es in den 70er Jahren formulierte – das „Kaufhaus Neuburg“ attraktiv zu gestalten. In Zeiten des Stadtmarketing ausgedrückt: Einkaufen zum Erlebnis zu machen.

So wie der „Treffpunkt Neuburg“ mit Harold Lierheimer, ­Luitpold Bullinger, Georg Dunz oder Helmut Lahme – um nur einige engagierte Einzelhändler aus den 70er Jahren zu nennen – sich damit beschäftigte, mit einem ausgewählten Sortiment, ganz besonders gut ausgebildetem und sehr sympathischem Fachpersonal und der eigenen Persönlichkeit Kundinnen und Kunden stetig und immer wieder aufs Neue für Neuburg zu begeistern, so ist auch der Name „Bartoschek“ untrennbar mit der Qualität eines Einzelhandelsgeschäftes verbunden, wie man es auch in Großstädten wie München, Regensburg oder Nürnberg antreffen würde.

Wer mit der Mode geht …

für den waren die ersten Sonnenstrahlen des Frühlings immer ein Signal für den ersten Höhepunkt der Saison: Wenn Marianne und Heinz Bartoschek ihre persönliche Einladung an ihre Stammkundinnen zur Modenschau aussprachen, war die Vorfreude groß. Denn dieses Stelldichein in der Luitpoldstraße gehörte jahrzehntelang zu den gesellschaftlichen Anlässen, die man in der Ottheinrichstadt von Herzen gerne wahrnimmt. Die liebevolle Begrüßung und das heitere Miteinander verliehen solchen Nachmittagen im Frühling und auch im Herbst eine sehr persönliche, fast schon familiäre Atmosphäre. Neben dem aufmerksamen Verkäuferinnen-Team um die Familie Bar­toschek waren es auch die Models, die die Trends der Saison so spielerisch und charmant präsentierten, dass dieser „blauen Stunde“ die Qualität eines erfrischenden und inspirierenden Kurzurlaubs zukam. Und wenn man sich nach der Modenschau noch ein wenig privat austauschen oder das eine oder andere Stück aus der Modenschau selbst probieren wollte, war jeder der Eingeladenen klar: Wer mit der Mode geht, ist auch in dieser Saison bei „Mode Exclusive“ bestens aufgehoben. Es ist Marianne und Heinz Bartoschek zu verdanken, dass internationale Modelabels auch in unserer weltoffenen Residenzstadt beheimatet waren. 

„Ich wollte schon immer auf die Modeschule“

Als Mode Exclusive im Frühjahr 2021 nach 40 Jahren schließen musste, hatten Heinz und Marianne Bartoschek Zeit. Aber Zeit für sich zu haben – das stellt sich für Menschen, denen es ein Leben lang Herzensangelegenheit war, andere zu begleiten, als eine neue, ungewohnte Aufgabe dar. Bereits als Jugendliche war für beide klar, dass sie im Modeberuf Fuß fassen wollen. Heinz Bartoschek erinnert sich: „Ich wollte immer etwas mit Mode machen – seit ich denken kann. Doch die Zeiten für einen kleinen Jungen, der während des Zweiten Weltkrieges gerade in die Schule gekommen war, waren alles andere als rosig. Wir wohnten in Ratibor, in Schlesien. Und uns erging es wie so vielen Familien damals. Meine Mutter zog mich allein auf. Als ich auf dem Weg von der Schule nach Hause war, gab es plötzliche einen Fliegeralarm. So wie ich war, bin ich mit meinem Schulranzen direkt mit meiner Mutter in den Luftschutzbunker gegangen. Und als der Alarm nachts vorüber war und wir alle wieder auf die Straße traten, schien der Mond über den Ruinen. Von unserer Straße, von unserem Zuhause war nichts mehr übrig. 

Meine Mutter und ich haben uns auf dem Weg in das Dorf meiner Großmutter gemacht – und nach rund zwei Jahren Unsicherheit und ganz ohne gesicherte Existenz, geschweige denn festen Strukturen wie Beruf oder Schule, sind wir schließlich in Neuburg gelandet. Dabei hat sich meine Mutter immer dafür eingesetzt, dass ich aus diesen Schulbüchern, die ich damals in meinem Tornister hatte, während der ganzen Zeit, in der ich nicht zur Schule gehen konnte – denn es war ja Krieg – weiter lerne. Das Bemühen meiner Mutter, die mich zwei Jahre lang mit den Schulbüchern aus meinem Tornister unterrichtet hatte, und mein Fleiß haben sich ausgezahlt. Als ich in Neuburg direkt in der 2. Klasse in die Grundschule aufgenommen wurde, kam ich gut mit. Das Übertrittszeugnis, das meinen Wechsel aufs Gymnasium sicherstellte, enthielt nur die Note „1“. Ich habe mich sehr darüber gefreut, dass ich das Gymnasium besuchen konnte und lernte dort Englisch und Französisch – beides Sprachen, die ich in meinem Beruf später nutzen würde. Von den Lehrern auf dem Gymnasium haben mich diejenigen besonders fasziniert, die kreative Fächer unterrichteten, wie unseren Musiklehrer Alois Hunner, Frau Sachsenhauser, die bei den Schulaufführungen für das Bühnenbild verantwortlich war, sowie Edi Hauck, unseren Kunstlehrer. 

Damals festigte sich mein Kindheitstraum der „Mode“. Und ich stellte fest, dass man, wenn man auf die Modeschule möchte, erst eine Schneiderlehre benötigt. Dazu musste ich das Gymnasium mit 17 Jahren nach der Mittleren Reife beenden. Ein Arbeitsmarkt wie heute, wo Arbeitgeber sich bei Auszubildenden mit vielen Vorzügen dafür bewerben, dass sie bei ihnen eine Lehre beginnen, gab es damals nicht. Es gab so viele Arbeitssuchende – und im Vergleich dazu wenig Anstellungen. Da war es für mich ein Glücksfall, dass ein Schulkamerad den Ausbilder bei der Firma Goldix kannte. Ab den 50er/60er Jahren war dieses Unternehmen eines der angesehensten und größten Arbeitgeber in Neuburg. Als ich mich dort vorstellte, wurde ich genommen – und durfte drei Jahre lang mit großer Freude und viel Elan die ersten wichtigen Schritte in die Modewelt unternehmen. Sehr praktisch für mich war, dass die Berufsschule in dieser Zeit in Neuburg beheimatet war – ich wohnte bei meiner Mutter und hatte keinerlei Fahrkosten oder einen längeren Anfahrtsweg. Bald schon konnte ich von dem Werk in der Franz-Boecker-Straße in die Obere Stadt wechseln, wo ich bei der Directrice und ihrer kreativen Arbeit für die neuen Schnitte und Kleider der Saison noch viel mehr lernte – auch für mein nächste Ziel: die Meisterschule für Mode in München. Um dort aufgenommen zu werden, musste ich mich wieder bewerben – Voraussetzung war auch, nach der Ausbildung 18 Monate als Geselle in Vollzeit gearbeitet zu haben. Ich war sehr froh, dass mir Goldix auch das ermöglichte. Meine Weiterbildung in München hat ebenfalls wieder drei Jahre gedauert. Als ich dort anfing, war ich mit Anfang 20 einer der jüngsten Absolventen. Da die Zugangsvoraussetzungen so streng waren und die Reihen der Schülerinnen und Schüler handverlesen, waren die meisten in meiner Jahrgangsstufe Mitte bis Ende 30. In dieser Zeit waren Marianne und ich bereits ein Paar – wir wollten heiraten. Aber ich habe zuerst noch ein Jahr in München angehängt, weil ich unbedingt den Meisterbrief als Abschluss erreichen wollte, und das habe ich ebenfalls geschafft. Die Fertigkeiten, die ich in meiner Schulzeit und bei Goldix erworben hatte, kamen mir hier zugute. Es war üblich, mit eigenen Skizzen, einem eigenen Schnitt, einer persönlichen Stoffauswahl, dem Nähen und allem, was dazugehört, Mode anzufertigen, die nicht nur den praktischen Prüfungsgegenstand bildete, sondern auch zum Abschluss des Ausbildungsjahres in einer Modeschau an der Meisterschule für Mode präsentiert wurde.

Schritte in eine internationale Karriere

Nachdem ich ein Jahr Wehrpflicht in der Bundeswehr absolviert hatte, startete ich bei der Firma Goldix als „Nachwuchsdesigner“. Der damalige Geschäftsführer Dr. Krug war zugleich Präsident der Deutschen Bekleidungsindustrie.

Skizze von Heinz Bartoschek für Damenmode,
die er an der Meisterschule für Mode in
­München ­anfertigte – als Grundlage für das später ­maßgeschneiderte Kleidungsstück.

Seine große Erfahrung, seine internationalen Kontakte mit der Modewelt und sein Gespür für Trends gestalteten das Arbeiten bei Goldix sehr spannend und abwechslungsreich. 1.500 Angestellte waren zu Spitzenzeiten dort beschäftigt – die Mode wurde in Neuburg gefertigt und international verkauft. Zu meinen Aufgaben gehörte bald nicht nur das Design der Mode – sondern auch ein stetes Reisen und „Netzwerken“, wie man heute sagen würde. Ich holte mir Anregungen auf den Modeschauen in New York, Mailand oder Florenz. Ich weiß noch, dass ich bei meiner ersten Modenschau mit den „Supermodels“, die damals im Palazzo Pitti stattfand, ganz aufgeregt war. Ich kannte das nicht, mit so vielen international erfahrenen Größen der Modewelt zusammenzusitzen und sich neben dem Geschäftlichen auf Französisch oder Englisch ganz ungezwungen über Gott und die Welt zu unterhalten. Außerdem war ich als für das Ordern der Ware zuständig. – 100.000 Goldix-Mäntel für C & A als Auftrag, das war damals nichts Außergewöhnliches. 

Mein Wissen und meine Erfahrung weiterzugeben, hat meiner Karriere in der Modewelt noch einmal eine andere Richtung gegeben. In den 80er Jahren durfte ich in Nördlingen die Nachwuchsdesignerin Gabi Strehle bei ihren ersten Schritten begleiten. Ihr Ausnahmetalent und ihr großer Fleiß legten den Grundstein für Strenesse, das einige Jahrzehnte als eine der wenigen deutschen Modelabel international bekannt war.

Skizze von Heinz Bartoschek für Damenmode,
die er an der Meisterschule für Mode in
­München ­anfertigte – als Grundlage für das später ­maßgeschneiderte Kleidungsstück.

Mode Exclusive in Neuburg

Während ich bei Goldix arbeitete und viel unterwegs war, hatte sich meine Frau Marianne mit ihrer Boutique „Mode Exclusive“ ebenfalls einen Traum erfüllt. Ihre Idee, in Neuburg eine besondere Mode für besondere Frauen anzubieten, hatte von Anfang an sehr großen Erfolg. Wir haben dadurch viele Menschen kennengelernt, mit denen wir jetzt noch verbunden sind. Es ist nicht selbstverständlich – damals wie heute – dass der Wunsch, den man hat, auch in Erfüllung geht. Und dass das Geschäftsleben, das manchmal auch rau oder sogar unbarmherzig sein kann, Stück für Stück und Jahr für Jahr so gelingt, dass man sich glücklich schätzt, an genau diesem Ort tätig zu sein.

Als sich Marianne entschloss, sich mit rund 70 Jahren – auch unserer Enkeln wegen – aus der Boutique Mode Exclusive ein wenig zurückzuziehen, fühlte ich mich nach den vielen Jahren unterwegs davon inspiriert, dieses Unternehmen weiterzuführen. Die Erfahrungen, die ich auf dem internationalen Parkett dank Goldix gesammelt hatte, konnte ich hier einbringen. Die Modenschauen, die persönliche Beratung, das gute Einvernehmen mit unseren Stammkundinnen – all das hat mich glücklich gemacht … bis zu dem Zeitpunkt, als wir uns, beschleunigt durch die Corona-Pandemie, mit dem Gedanken beschäftigt haben, doch demnächst nicht mehr ein Geschäft zu betreiben.

Heute – drei Jahre später – genießen wir es, etwas mehr Zeit für uns zu haben als mitten im Modegeschehen. Wir sind glücklich, unsere Söhne, unsere Enkelkinder, unser erstes Urenkelkind und unsere Labradorhündin Daisy um uns zu haben. Und wir sind dankbar, in Neuburg zuhause zu sein. Denn für uns war und ist Neuburg nach wie vor eine kleine Weltstadt mit ganz viel Herz.“

Text: Alex Fitzek, Fotos: Alex Fitzek, Familie Bartoschek