Wenn man an die Anfänge des Neuburger Schloßfests gehen möchte, begibt man sich auf eine Zeitreise … nicht so weit zurück wie in die Renaissance. Sondern in das Neuburg der 1970er Jahre. Gemeinsam mit Anton Sprenzel ist Alois Thumann einer der beiden noch lebenden Mitbegründer, die sich damals in einem kleinen Kreis zusammengefunden haben. Was hat sie angetrieben? Ging alles von allein oder musste man Überzeugungsarbeit leisten? Was hat sich seither verändert … und welches ist der ganz persönliche Glücksmoment für einen, der von Beginn an dieses Fest von Bürgern für Bürger mitangeschoben hat und bis heute begleitet?
Exklusiv für HALLO Neuburg erzählt Alois Thumann, wie eine Handvoll engagierter Neuburg beschlossen hat, Geschichte zu machen.
Alois, Ihr habt im Juni 1976 gemeinsam das erste Neuburger Schloßfest aus der Taufe gehoben – wie bist Du denn eigentlich zu dieser Gruppe der „Macher und Initiatoren“ dazugekommen?
Der damalige Bundeskanzler Willy Brandt hat im Jahre 1974 anlässlich der Feierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen des Grundgesetzes, wenn ich mich richtig erinnere, die deutsche Bevölkerung aufgerufen, dies als Fest zu feiern. Auch in Neuburg – und das hat einigen nicht gefallen, auch mir nicht. Was mir nicht gefallen hat, war nicht das Fest als solches. Sondern, dass man einfach einen LKW mit Bier einer Neuburger Brauerei in den Schlosshof hineingestellt hat, in dem man früher ja nicht so ohne weiteres hinein konnte. Und da hat man vom LKW herunter Bier ausgeschenkt. Das war für mich wie eine Faust aufs Auge … an dieser historischen Stätte, in diesem Ambiente. Ein paar Bierbänke und ein paar Brauer, die ausgeschenkt haben. Und das war’s dann.
Und dann hat sich ein Kreis zusammengefunden. Das waren einige, die gesagt haben: „So geht’s nicht, das können wir besser machen. Wir haben in Neuburg eine riesige Geschichte, ein Pfund sozusagen, das man viel besser ausnützen muss.“ Da entstand der „Arbeitskreis Fremdenverkehr“ – eine Mischung aus einigen Stadträten und interessierten Bürgern. Da hat mich Frank Fitzek angesprochen und motiviert: „Alois, das wäre was für Dich!“ Dabei waren zum Beispiel auch Matthias Schieber oder Fritz Seebauer, die später Ehrenbürger der Stadt Neuburg wurden – und leider schon nicht mehr unter uns sind.
In diesem Arbeitskreis hat man sich daran erinnert, dass es im Jahr 1955 zur 475-Jahr-Feier von Pfalz Neuburg den Steckenreitertanz gegeben hat, der in Neuburg uraufgeführt wurde. Das wollten wir wieder tun – und fanden in Dr. Fritz von Philipp einen riesigen, begeisterten Förderer dieser Idee. Gemeinsam mit diesem Kreis und dem damaligen Oberbürgermeister Theo Lauber hat sich eine Idee entwickelt, unsere Geschichte zu „spielen“, zum Leben zu erwecken. Natürlich braucht es dazu auch etwas zum Essen und Trinken. Es sollte ein Markt entstehen, der nicht „08/15“ ist. Wir haben auf Originalität und Authentizität Wert gelegt, das war von Beginn an die Richtschnur. Michael Bickel, der damalige Redaktionsleiter der Neuburger Rundschau, hat uns solidarisch begleitet – aber auch hinterfragt. Es ging auch darum, welche Sprache man auf diesem Fest im Umgang miteinander pflegen sollte – zum Beispiel „Also höret!“ und nicht bloß „Achtung! Oder Bekanntmachung!“ Und so sind wir in diese Rolle hineingewachsen – die ersten Fotos von damals zeigen die Macher und Initiatoren – unter anderem Norbert Hohenester, der unsere Idee von der Stadt aus mitentwickelt hat. Veranstalter des ersten Schloßfestes war eigentlich die Stadt Neuburg. Aber dann hat man den Verkehrsverein, den es ja schon früher gab, wiederbelebt. Auch die Neuburger Geschäftswelt hat sich da eingebracht, zum Beispiel Luitpold Bullinger oder Franz Weigert.
Als wir uns dann „gewandet“ hatten, war ich erstmal von allen Socken. Denn nie vorher hatte ich unseren Oberbürgermeister Theo Lauber in Strumpfhosen gesehen … mit einem Wams und gekleidet wie im 15. Jahrhundert in der Renaissance – das war für uns phänomenal und unglaublich. Nach ihm hat sich das keiner der Nachfolger nehmen lassen; jeder ist seitdem entsprechend gewandet aufgetreten. Das Vorbild unseres damaligen Stadtoberhauptes hat unser Ansinnen gestärkt und auch nach außen die Strahlkraft vergrößert – der Oberbürgermeister identifiziert sich mit dem Schloßfest. Er ist einer von uns!
So sind wir mit jedem Schloßfest gewachsen. Aber es war von Anfang an gedacht, dass es ein Fest der Bürger für die Bürger ist.
Wie kann man sich die ersten Schloßfeste vorstellen?
Anfangs sollte das Fest nur für die Neuburger sein: Wir feiern unsere Geschichte und dazu brauchte es einen Festumzug. Man ist vom Ruderclub aus oder vom Alten Neuhof losgegangen und zum Schloss gezogen. Also nichts Großes. Wir haben einfach angefangen – und überlegt, in welchem Neuburger Verein es Fähigkeiten oder Ressourcen gibt, die man in das Schloßfest einbauen kann. Etwa die Jagdbläser von den Jägern … wir haben uns gedacht, da könnte man sie bei Nacht mit Fackeln durchziehen lassen – und die Gäste hat es berührt.
Gemeinsam haben wir nach dem Schloßfest alles reflektiert und entweder beschlossen, das müssen wir das nächste Mal unbedingt wieder machen oder aber, das lassen wir besser bleiben. Es gab beides – und wir haben offen diskutiert und uns gemeinsam weiterentwickelt. Manche Ideen kamen dazu, manche passten nicht in die Zeit. Zum Beispiel die Idee, dort Weißwürste zuzubereiten … aber gab es die bereits in der Renaissance – nein! Auch Armbanduhren waren tabu. Dann die Frage: „Dürfen die Akteure Brillen tragen?“ Der Optiker
Helmut Lahme hat damals die Schloßfestbrille entwickelt. Alles Details, die das Fest in der Summe aber immer authentischer gemacht haben.
Die Stadtwache, wo ich Kommandant war, bestand zuerst aus sechs oder sieben Leuten – mehr waren wir nicht. Die 220, die jetzt die Stadtwache stellen, diese sind ja mit dem Fest gewachsen. Unsere Helme und Hellebarden haben wir anfangs in der JVA Niederschönenfeld fertigen lassen, in Neuburg gab es keinen Schmied oder Schlosser, der das aus dem Stand gekonnt hätte.
Oder der Fanfarenzug! Die ersten Trommler haben bei den Burgfunken im Fasching getrommelt. Von diesem Neuburger Traditionsverein hatten wir auch unsere ersten Trommeln. Die Burgfunken hatten sie ein paar Monate vorher im Kolpinghaus für den Fasching gebraucht.
Gab es auch Rückschläge für Euch?
Natürlich. Ich habe nicht nur einmal hören müssen: „Spinnt Ihr denn … verkleidet Euch im Juni! Fasching ist doch schon vorbei.“ – Das hat man natürlich verkraften müssen. Einige Stadträte haben unsere Idee vom Schloßfest auch boykottiert. Aber trotzdem muss man von seinem eigenen Tun und von seinen eigenen Vorstellungen natürlich überzeugt bleiben. Denn wenn ich nicht selber überzeugt bin, kann ich andere nicht begeistern und mitziehen. Da muss ich schon selbst vorangehen.
Aber in unserem engen Kreis haben wir gut zusammen harmoniert – und bestimmte Vorstellungen und Leitbilder gehabt. Und zweifelsohne war die Landshuter Fürstenhochzeit unser Vorbild. Wir waren auch einmal in Landshut und haben uns dort Ratschläge geben lassen. Die geschichtliche Verbindung besteht mit der Jungen Pfalz und dem Erbfolgekrieg von Landshut. Das hat uns darin bestärkt, unseren Weg weiterzugehen. Und mehr und mehr war es so, dass jeder, der ein bisschen was auf sich hält, sich für ein Gewand entschieden hat. Kein Kostüm – ein Gewand! Da legten wir von Anfang an großen Wert darauf. Es war natürlich schon Motivation für den einen oder anderen, der noch Hemmungen hatte, als ein Oberbürgermeister gewandet war.
Du bist nicht mehr Kommandant der Stadtwache – was ist jetzt Deine Aufgabe?
Zu Spitzenzeiten sind wir von der Stadtwache – ich habe den Schrittzähler dabeigehabt – 65 Kilometer gelaufen. Nicht an einem Wochenende, sondern an einem Tag! Das könnte ich heute nicht mehr.
Heute kümmere ich mich darum, dass die Plakate und Großplakate hängen – und nicht abgehängt oder von anderen zugeklebt werden. Außerdem sollen die Holzabzeichen rechtzeitig fertiggestellt werden – und zwar Wochen im voraus. Schließlich werden die Kordeln in einer einheitlichen Größe von Hand eingefädelt … und wenn man einmal 25.000 bis 30.000 Stück bearbeitet hat, weiß man, was das für eine Arbeit ist. Das geht nur von Hand. Man zieht mit der Häkelnadel die Kordel in das Abzeichen und bindet sie zusammen. Dann ist es wichtig, sie zu portionieren. Es darf auch keines verloren gehen – die Abrechnung muss ja stimmen. Wer hier mit Hand anlegt, muss verlässlich sein. Und es braucht auch zuverlässige Helfer, die diese Arbeiten kontrollieren.
Gibt es für Dich einen ganz persönlichen Moment, der Dich beim Schloßfest besonders berührt?
Da gibt es nicht nur einen, sondern einige. Zum Beispiel den Steckenreitertanz. Und zwar deshalb, weil die Kinder damit spielerisch an die Geschichte Neuburgs, der jungen Pfalz, herangeführt werden. So etwas lernt man heute nicht mehr unbedingt in der Schule.
Ein anderer besonderer Moment sind für mich die Jaghornbläser. Ihre Musik zur späten Abendstunde mit dem Fackelschein an der Rathaustreppe. Das geht mir schon nahe, manchmal bis an die Tränen. Auch die Reiterspiele oder der Fanfarenzug sind für mich sensible Punkte.
Aber auch die Herzog-Georg-Spende ist für mich ein Höhepunkt auf dem Schloßfest. Denn wir machen uns im Komitee sehr lange Gedanken darüber, wer das Spendtuch bekommt. Das ist an einem Wochenende ein Gastwirt – am anderen ein Standbetreiber. Am Sonntagabend jeweils um 20 Uhr, wenn die Glocke der Sankt-Peters-Kirche läutet. Es wird dieses Tuch von Georg dem Reichen verliehen und Brot. Damit versetzen wir uns auch hier in die Renaissance zurück. Das Besondere daran: Der oder die Geehrte weiß bis unmittelbar vor der Ehrung nichts davon. Da bin ich immer wieder stolz darauf, dass wir im Komitee uns alle daran halten, dass von dem Beschluss niemand erfährt. Dementsprechend erwischt es den einen oder anderen Geehrten emotional wirklich – und das ist dann für alle Beteiligten ein besonders schöner persönlicher Moment. Mehr als eine Viertelstunde dauert diese Spendenverleihung nicht – aber der oder die Geehrte steht dann vollkommen im Mittelpunkt. Man kann sagen, dass der Ehrung ein großer symbolischer Charakter zukommt. Dies beschreibt ein Satz sehr schön, den wir von Anfang an geprägt haben als Macher des Neuburger Schloßfestes: Miteinander, nicht gegeneinander.