Gespannt auf das Gewand

Immer mehr Gäste auf dem Schloßfest sind mit ihrem eigenen Gewand unterwegs – ein Stimmungsbild

Es ist ein Fest von Bürgern für Bürger – und für viele ist das Schloßfest, seitdem sie aufrecht im Bollerwagen beim Festumzug sitzen oder in kleinen Schritten mitlaufen konnten, der ganz persönliche Höhepunkt im Neuburger Veranstaltungskalender.
Um mittendrin statt nur dabei zu sein, gewanden sich immer mehr Einheimische und Gäste von außerhalb gerne stilecht wie zu Zeiten von Pfalzgraf Ottheinrich. „Im Gewand kann man das Schloßfest mehr erfühlen“, ist sich Marktvogt Fredi Lahn vom Schloßfestkomitee sicher.
Wie man sich selbst gewanden möchte, ist nicht nur eine Frage des Geldbeutels – sondern auch der Praktikabilität und des persönlichen „Wohlfühlfaktors“. Schließlich rangiert die Bandbreite der Investition bei einem bäuerlichen Gewand von einem höheren zweistelligen Betrag für Leinenhemd und halblanger Bundhose aus Samt bis zu einer stolzen Summe von mehreren Tausend Euro für ein prachtvoll gearbeitetes „prunkvolles Gewand“. In der Mitte dieser beiden Beiträge liegt das „herrschaftliche Gewand“, das durchaus schon etwas hermacht – aber nicht mit so vielen hochwertigen Zutaten an Stoffen und Accessoires gefertigt wurde wie sein prunkvolles Pendant. Eine Rolle spielt bei der Auswahl auch, dass das Wetter in Folge des Klimawandels in der historischen Altstadt sehr heiße Temperaturen bereithalten kann – und dass es, gerade wenn man viel unterwegs ist, auch sinnvoll sein kann, nach einem Tag ganz unkompliziert in ein anderes Gewand schlüpfen und das bisher getragene zuhause waschen zu können – ohne dass es aufwändig gereinigt werden muss.
Apropos „Fertigung“. Schon seit Monaten sind die Schneiderinnen und Schneider in Neuburg ausgebucht. Glücklich, wer selbst nähen kann – oder einen der vhs-Schloßfestnähkurse besucht hat. Für Einsteiger empfiehlt sich als überschaubare Investition ein bäuerliches Gewand – auch um festzustellen, ob man überhaupt ein „Gewand-Typ“ ist.
Alois Thumann vom Schloßfestkomitee beschreibt sehr anschaulich, welches Gewand zu einem passen könnte: „Man kann sich immer – das wirkt sehr authentisch – an seinem Berufsstand orientieren.“ Ein Rechtsanwalt würde also mit einem „advocatus-Gewand“ nichts falsch machen, jemand, der sich in der Kommunikationsbranche bewegt, wäre als „Gesandter“passend gewandet. Für Brauer, Jäger, Bäcker oder Metzger oder andere Handwerksberufe kann man ebenso anschauliche Parallelen ziehen. Falls man in Schloßfest-Mission in einer Gruppe unterwegs ist, gehört das entsprechende Gewand bereits zur Ausstattung der Gruppe dazu – zum Beispiel das prunkvolle Gewand für die Hoftänzer.
Wichtig ist in jedem Fall: Es handelt sich beim Gewand NIEMALS um eine Verkleidung! Sondern immer um eine ganz persönliche Zutat, um sich dem Neuburger Schloßfest noch näher zu fühlen. Und für Paare, Familien oder Freunde ist es immer besonders toll, als aufeinander abgestimmte Gewand-Gruppe wahrgenommen zu werden.
Lasst Euch durch unsere drei Interview-Paare doch bei Eurer Wahl inspirieren …

Fragen rund um das Gewand
❶ Bei welcher Gelegenheit tragt Ihr Euer Gewand und welche „Botschaft“ soll es in der Renaissance-Gesellschaft ausstrahlen?
❷ Seid Ihr mit Eurem Gewand nur als Besuchende oder auch in einer besonderen Funktion auf dem Schloßfest unterwegs – wenn ja, in welcher?
❸ Aus Eurer Erfahrung: Empfiehlt sich ein solches Gewand in punkto Praktikabilität (Sommerhitze, Reinigung, Anfälligkeit für Reparaturen), Herstellung und Kosten (Eigenregie oder Auftragsarbeit) sowie Tragekomfort für einen Neuburger oder Gast, der das Schloßfest sehr liebt, aber keine besondere Funktion in einer Gruppe ausübt?
❹ Was empfehlt Ihr aufgrund Eurer Schloßfest-Erfahrung als ideales „Basic-Gewand“ für Männer, Frauen oder Kinder?

Joshua Beric & Hanna Husterer

Joshua Beric und Hanna Husterer

… vielen bekannt vom Burgfunken-Fasching der Saison 2025 – das Prinzenpaar des Großen Hofstaates

❶ Wir tragen unser Gewand jeden Tag. Wir sind eher einfache Leute – unser Gewand könnte somit also Bodenständigkeit, Bescheidenheit und Anstand ausstrahlen.
❷ Wir sind sowohl als Besucher als auch in einer besonderen Funktion unterwegs.
Hanna: Ich arbeite bei den Burgfunken am Stand.
Joshua: Ich arbeite ebenfalls bei den Burgfunken am Stand und ich schiebe zusätzlich das Karussell vom BSV Neuburg an.
❸ Für einen „normalen“ Schloßfest-Gast würden wir auf jeden Fall auch ein einfaches Bauerngewand empfehlen, da man zum einem beim guten und eventuell recht warmen Wetter nicht schwitzt, es gut waschen kann (sogar Johannisbeerwein-Flecken kann man gut entfernen) und nicht Unmengen an Geld dafür hinlegen muss. Noch dazu ist es sehr bequem.
❹ Joshua: Als Mann würde ich immer eine Hose und ein Hemd wählen, was man gegebenenfalls auch hochkrempeln kann.
Hanna: Als Frau würde ich eine schulterfreie Bluse, einen Rock in der persönlichen Lieblingsfarbe und ein Mieder empfehlen.

Elfriede & Fritz Müller

Elfriede und Fritz Müller

… vielen bekannt als sehr engagierte Neuburger mit vielfältigen Schwerpunkten, u. a. in der Kommunalpolitik, bei den Städtepartnerschaften und beim BRK Neuburg-Schrobenhausen

❶ Wir tragen unser Gewand bei der Eröffnung des Schloßfestes, beim Bummeln in der Altstadt und bei offiziellen Anlässen. Durch das Eintauchen in die Zeit der Renaissance soll das Leben und Wirken der damaligen Epoche zum Ausdruck gebracht werden. Das macht mit einem Gewand besonders viel Freude!
❷ Wir sind als Repräsentanten der Stadt und des Landkreises unterwegs. Elfriede: Ich begleite und betreue unsere Freunde und Gäste aus den Partnerstädten und aus den „Newcastles of the world“ während der Schloßfestzeit
❸ Ganz ehrlich: Bei Hitze oder Regen ist die Robe gewöhnungsbedürftig. Das Nähen der Robe ist sehr zeitaufwändig und erfordert sehr gute Nähkenntnisse. Die Beschaffungskosten richten sich nach Exklusivität der Robe – da sind nach oben keine Grenzen gesetzt …
❹ Das „Einsteiger-Gewand“ hängt davon ab, in welche Rolle der Besucher in der Renaissancezeit schlüpfen möchte. Ob als Marketenderin, Burgfräulein, Ritter, Landsknecht, einfacher Bauer etc.

Daniela & Dietmar Engel

Daniela und Dietmar Engel

… vielen bekannt durch ihre Rolle als Tänzer bei „Tanz und Scherz bei Hofe“. Daniela Engel ist die „Behüterin“ und fertigt historische Kopfbedeckungen.

❶ Wir tragen unsere Gewänder als Hoftänzer, die den Neuburger (Geld)-Adel darstellen. Die Gewänder zeigen durch ihren Reichtum an Stoffen und dekorativen Elementen, sowie Schmuck und Accessoires wie Fächer, dass wir es nicht nötig haben, körperliche Arbeit zu verrichten, was mit diesen Gewändern auch nicht möglich ist. Wir verbringen unsere Zeit mit Tanzen, Tafeln und Tändeleien.
❷ Wir sind Tänzer bei „Tanz und Scherz bei Hofe“ im Schloßhof. So werden wir gerne zum Fotomotiv für Touristen gebeten. Unsere Gewänder sind meist nach konkreten historischen Vorlagen gearbeitet. Daniela: Ich sehe darin auch einen gewissen kostümgeschichtlichen Bildungsauftrag.
❸ Unsere Adelsgewänder setzen eine gewisse persönliche körperliche und monetäre Leidensfähigkeit voraus. Die Gewänder sind schwer, sehr warm und teuer. Auch in der leichtesten Bauweise tragen wir erheblich mehr Stoff an uns als im zivilen Leben. Die Reinigung fällt nicht ins Gewicht, da meist nur die Untergewänder gewaschen werden müssen/können. Davon haben wir mehrere.
Wir lassen unsere Gewänder genau nach unseren Vorstellungen anfertigen. Einige meiner Outfits habe ich auch selbst genäht. Ich kenne sehr viele Besucher und Gäste, die auch ohne Funktion, trotzdem gerne in Adelsgewändern das Schloßfest besuchen. Das ist eine Frage der persönlichen Vorliebe. Welches Mädchen möchte nicht gerne Prinzessin sein?
❹ Als Basisgewand für Besucher, um dazuzugehören, reicht meist schon eine einfache Ausstattung aus Hemd/Bluse (nicht schulterfrei) und Bundhose/Rock. Optional Barett und Haube, Gürtel. Für kältere Abende oder Regen empfiehlt sich ein Wollumhang oder eine Gugel. Keine Turnschuhe! Für kleine Kinder reicht ein einfaches Kleid und ein schürzenähnlicher Überwurf.
„No-gos“ sind kostümtechnisch-historisch gesehen Trinkhörner, Schellenbänder und „Jungfernkränzel“ (außer bei ganz jungen Mädchen). Kränze können ab einem gewissen Alter aber natürlich auch am Gürtel getragen werden. Abschließend möchte ich bemerken, dass auf dem Schloßfest das niedere Bürgertum, Handwerker und Vertreter verschiedener Stände in korrekter kostümgeschichtlicher Darstellung leider zu wenig präsent ist.

Eine persönliche Anmerkung ist uns wichtig: Unsere Antworten klingen zuweilen vielleicht etwas elitär. So sind die Hoftänzer aber gar nicht!